Kanban
Mit Kanban hat in den letzten Jahren ein Prozessmodell von sich reden gemacht, das bereits über 50 Jahre alt ist. Ursprünglich kommt das Konzept aus dem produzierenden Gewerbe. Es lässt sich aber auch auf Dienstleistungen, also sogenannte Wissensarbeit, ausweiten. Kanban ist flexibel einsetzbar und kann eigenständig, aber auch in Ergänzung zu anderen agilen Methoden genutzt werden.
Inhalt des Artikels "Kanban"
Ursprung von Kanban
Der Name Kanban kommt aus dem Japanischen und bedeutet in etwa “visuelles Signal”. Der Begriff stammt aus dem Toyota-Produktionssystem. Dort wurde in den 1940ern versucht, die Produktionsabläufe effizienter zu gestalten. Ein zentrales Mittel waren dabei Karten, die zwischen den verschiedenen Abteilungen der Fertigung ausgetauscht wurden.
Wurden die Materialien in der Produktion knapp, reichte man diese eine Karte mit dem benötigten Material an das Lager weiter. Dieses übergab wiederum dem Zulieferer eine Karte, wenn gewisse Materialien nicht mehr vorrätig waren.
War das Ziel in der Fertigung die Reduktion von Lagerzeit, ist die Methode heute universell einsetzbar. Mit ihrem Ursprung in der Produktion hat die Methode heute jedoch nur noch wenig gemeinsam.
Grundzüge von Kanban
Die Methode fußt auf dem Visualisieren von Aufgaben. Dabei werden die verschiedenen Teilaufgaben eines Projekts auf Karten geschrieben. Diese Karten finden auf einer Tafel, dem Kanban Board, Platz. Je nach Ausrichtung des Projekts werden verschiedene Stufen festgelegt, die die Karten auf dem Weg zur Vollendung durchlaufen. Kanban gilt oft als agile Methode im Management. Sie ist jedoch auch in traditionellen Projektabläufen einsetzbar.
Dabei greift die Kanban-Methode auf sechs verschiedene Kernpraktiken zurück, die den Prozess strukturieren.
Kernpraktiken von Kanban
Das Modell ist sehr anpassungsfähig und flexibel. Deshalb verfügt Kanban nicht über ein starres Regelwerk, das es abzuarbeiten gilt. Stattdessen liegen dem Modell verschiedene Praktiken zugrunde, die dem Arbeitsprozess Struktur geben.
Visualisierung
Das womöglich zentrale Prinzip von Kanban ist die Visualisierung. Alle Aufgaben werden durch Aufschreiben und Anheften an die Tafel für das Team sichtbar. Darüber hinaus sorgt das Board dafür, dass zu jeder Zeit sichtbar ist, in welcher Phase der Bearbeitung ein Arbeitsschritt steht.
Durch die Visualisierung des Arbeitsstands schafft man Transparenz innerhalb des Teams. Darüber hinaus sorgt die Visualisierung des Fortschritts für Motivation.
Begrenzung der angefangenen Arbeit
Für jeden Prozessschritt wird ein Limit festgelegt. Damit können nicht mehr als eine gewisse Anzahl von Aufgaben gleichzeitig in Bearbeitung sein. Diese Praktik ist aus der Erkenntnis erwachsen, dass mit der Anzahl der offenen Tickets die Gefahr steigt, dass sich der Fortschritt an einer Stelle staut. Um diese Nadelöhre zu vermeiden, wird das work in progress begrenzt.
Fortlaufende Evaluation
Um die Effizienz des Prozesses zu steigern, sollten verschiedene Kennziffern für Erfolg festgelegt werden. Im Laufe des Projekts können die Teammitglieder so erkennen, ob die Abläufe verbesserungswürdig sind. Darüber hinaus lässt sich mit dieser fortlaufenden Evaluation abschätzen, ob Projekt(zwischen)ziele erreichbar sind. Somit ist eine offene Kommunikation mit Geschäftspartnern und Kunden möglich.
Klare Definition des Prozesses
Um einen erfolgreichen Durchlauf zu ermöglichen, müssen die Regeln des Prozesses klar sein. Dazu gehören die verschiedenen Spalten des Kanban Boards, die Frage, wann eine Aufgabe als erledigt gilt, sowie die Modalitäten des Übernehmens von Aufgaben. Durch die klare Regelung des Prozesses können Teammitglieder sich auf die Erledigung der Aufgaben konzentrieren, statt sich mit Detailfragen des Ablaufs zu beschäftigen.
Feedbackschleifen
Um die laufende Evaluation und Anpassung des Prozesses umzusetzen, müssen regelmäßige Feedbackrunden abgehalten werden. Dabei kommt es auf die Ausrichtung des Kanban-Prozesses an, wie diese ausgestaltet sind. In einem teamweiten Kanban-Prozess sind andere Feedbackrunden nötig als in einem Prozess, der im gesamten Unternehmen abläuft.
Modelle von Prozessen
Um die richtigen Entscheidungen zu treffen, sollte der gesamte Prozess in einem Modell abgebildet werden. Dabei stehen verschiedene Modelle für Projektfortschritt zur Verfügung. Das Ziel der Nutzung eines Modells ist, dass die Komplexität des Projektmanagements sich reduziert und das Team sich auf die Erfüllung des Modells beschränken kann.
Umsetzung der Kanban-Methode
Ein wichtiger und nicht zu vernachlässigender Aspekt der Kanban-Methode ist, dass sie sehr flexibel einsetzbar ist. Sie kann sowohl als eigenständige Methode zum Projektmanagement als auch ergänzend zu anderen, wie z. B. Scrum, eingesetzt werden.
Diese Flexibilität ermöglicht es auch Unternehmen, die ihre Prozesse eher klassisch organisieren, Werkzeuge aus dem “agilen Werkzeugkasten” einzusetzen.
Gründe für die Flexibilität
Kanban ist deshalb so flexibel einsetzbar, weil es wenige Vorgaben macht. Stattdessen ist der Grundsatz der permanenten Verbesserung des Prozesses ein wichtiger Bestandteil der Methode. Die Teams und Unternehmen, welche mit dieser Methode arbeiten, gewöhnen sich einen Stil der fortlaufenden Optimierung ihrer Prozesse an. Starre Regeln und Rollen innerhalb des Prozesses sind da eher hinderlich. Vielmehr ermöglicht Kanban als Rahmen die Weiterentwicklung der Zusammenarbeit.
Dabei können einzelne Aspekte des Ansatzes als Ergänzung zu bestehenden Projektmanagement-Modellen zum Einsatz kommen. Es ist aber auch möglich, den gesamten Prozess von Beginn an mit Kanban zu organisieren.
Wichtige Säulen der Methode
Die wahrscheinlich wichtigste und bekannteste Säule ist die der Visualisierung. Insbesondere das Darstellen der einzelnen Teilaufgaben durch Post-its oder Karteikarten ist vielen bekannt. Es ist sicher kein Zufall, dass auch populäre Software für die Teamzusammenarbeit, wie z.B. Trello, mit dem Modell von Tafeln und Karten arbeiten. Durch die konsequente Visualisierung des Projektfortschritts entstehen Motivation und Transparenz.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist der Stellenwert von Evaluationsphasen. Diese ermöglichen dem Team, die eigenen Erfolge wertzuschätzen und Probleme zu erkennen. In Kanban wird diesen fortlaufenden Evaluationen Raum gegeben, um die Abläufe und damit schlussendlich auch das Produkt zu verbessern.
Besonders entscheidend ist zudem das Pull-Prinzip. Das bedeutet, dass Aufgaben zwischen den Abteilungen bzw. beteiligten Teams nicht verschoben werden. Stattdessen ziehen die einzelnen Abteilungen neue Aufgaben an sich, wenn sie Kapazitäten dafür haben. Diese Umkehr der Arbeitsorganisation macht den Reiz von Kanban aus und ist ein Schlüssel zum Erfolg der Methode.
Kanban in der Praxis
In Prozessen, die nach dem Kanban-Modell organisiert sind, finden sich einige Konstanten wieder. Natürlich ist der Prozess in jedem Team, jeder Firma und jedem Projekt etwas anders ausgestaltet. Einige Aspekte des Prozesses sind jedoch oftmals ähnlich organisiert.
Kanban-Board
Das bekannteste Element ist das Kanban-Board. Es muss sich beim Board nicht einmal um eine Tafel handeln – es reicht auch eine Wand oder die Fenster im Konferenzraum. Wichtig ist, dass die Tafel während der gesamten Projektlaufzeit sichtbar ist und aktualisiert wird.
Auf dem Board werden zunächst verschiedene Stationen der Projektlaufbahn als Spalten festgelegt. Dabei kann es sich um die Abteilungen handeln, die an der Fertigung eines Bauteils beteiligt sind. Bei kleineren Teams ist hingegen die Einteilung in Projektstatus üblich. Das Board hat dann die Spalten Zu erledigen (To do), In Arbeit (Doing) und Abgeschlossen (Done).
Die zu erledigenden Aufgaben werden auf Haftnotizen o. Ä. geschrieben. Im Laufe des Projekts durchlaufen die Aufgaben das Board von links nach rechts. Somit ist für alle Projektmitglieder sichtbar, wie es vorangeht.
Aufgaben und Umfang
Ziel ist es, dass jede Aufgabe, die auf einem Kärtchen steht, den gleichen Umfang hat. Diese Anforderung ist je nach Projekt unterschiedlich leicht umzusetzen; in der Industrie lässt sich der Aufwand einer Aufgabe mitunter eher abschätzen als in einer Unternehmensberatung. Für die Visualisierung ist jedoch eine geringe Abweichung zwischen den einzelnen Aufgaben optimal. Die Aufgaben werden im Team formuliert und abgestimmt, sodass bereits die Festlegung eine Teamleistung ist. In der Bearbeitung wandern die Aufgaben immer dann zur nächsten Stelle, wenn dort Kapazitäten frei sind.
Im Laufe eines Projekts stellt sich oftmals heraus, dass sich Nadelöhre bilden, an denen sich die schnelle Abarbeitung aufstaut. Um dies zu verhindern, begrenzt man die Anzahl an Aufgaben, an denen eine Abteilung gleichzeitig arbeitet. Im Laufe der Zeit entsteht so ein schneller Durchlauf ohne große Verzögerungen.
Priorisierung von Aufgaben
Nicht immer ist es sinnvoll, die erste Aufgabe auch zuerst zu erledigen. Daher wird in vielen Kanban-Teams eine Priorisierung der Aufgaben vorgenommen. Dabei kann zwischen unterschiedlichen Prioritäten unterschieden werden. Einige mögliche Priorisierungen:
- beschleunigt: Diese Aufgabe muss mit hoher Priorität bearbeitet werden. Das kann dazu führen, dass Arbeiten an einem anderen offenen Ticket ruhen.
- fester Termin: Diese Aufgabe muss an einem bestimmten Termin erledigt sein. Die Priorisierung kann auf dem Weg durch das Board so angepasst werden, dass dieser Termin einzuhalten ist.
- unklar: Manchmal ist der Mehrwert einer Aufgabe nicht geklärt, sodass diese Tickets mit geringer Priorität abgearbeitet werden. Zudem können weitere Beschränkungen in Kraft gesetzt werden. So kann z. B. festgelegt werden, dass jede Abteilung höchstens ein Ticket mit unklarer Priorität in Bearbeitung haben darf.
Fällt eine Aufgabe in keine gesonderte Priorität, erfolgt die Abarbeitung nach dem FIFO-Prinzip (first in, first out). Dabei erfahren diejenigen Aufgaben zuerst eine Bearbeitung, die zuerst angefallen sind.
Meetings und Feedbackrunden
Um den Projektfortschritt, aber auch den Prozess selbst auszuwerten, sind verschiedene Meetings möglich. Die Anzahl und Häufigkeit solcher Unterredungen hängen wiederum stark von der Art des Projekts und den beteiligten Abteilungen ab. Dabei haben sich verschiedene Arten von Meetings etabliert:
- Standup: Tägliche Zusammentreffen, bei denen die Abteilungen von den Fortschritten des vergangen Tages und Herausforderungen des aktuellen Tages berichten.
- Review: Rückschau auf den Prozess, welcher der Verbesserung dienen soll. Diese Meetings finden in unregelmäßigen Abständen statt.
- Root Cause Analysis: Bei Problemen im Ablauf, die durch die permanente Visualisierung zutage treten, werden Meetings abgehalten, die zur Analyse und Behebung des Problems dienen.
Kanban und Scrum
Oftmals ist Kanban als Ergänzung zu Scrum im Einsatz. Durch eine flexible Einsetzbarkeit bietet Kanban eine gute Methode, um die Artefakte des Scrum-Prozesses zu visualisieren. Zudem sind Kanban und Scrum verträglich, weil Kanban keine eigenen Rollen in das Prozessmodell einbringt. Viele Grundannahmen, etwa Selbstorganisation des Teams, Begrenzung der gleichzeitigen Aufgaben und die Einteilung in kleine Teilaufgaben, stimmen bei beiden Methoden überein.
Dennoch ist Kanban kein Teil von Scrum und auch nicht mit ihm identisch. Stattdessen handelt es sich um eine Herangehensweise an Projekte, die sich gut in den Scrum-Prozess integrieren lässt, aber auch eigenständig funktioniert.
Bildnachweise
Kanban-Tool auf Computer: #436375879 | © Andrey Popov – stock.adobe.com
Kanban-Board: #303430730 | © Berk – stock.adobe.com