Jobeinstieg mit Beeinträchtigungen – Informationen und Tipps

EINLEITUNG

In Zeiten,in denen auf dem Arbeitsmarkt Stürme toben und ein Kampf um Fachkräfte entbrannt ist (War of Talent), haben Menschen mit Beeinträchtigungen häufig trotzdem einen schweren Stand. Insbesondere, wenn sie von der Hochschule abgehen, haben viele Schwierigkeiten, den Schritt ins Berufsleben nahtlos zu nehmen.

Denn auch wenn die Schlagworte Inklusion und Fachkräftemangel häufig fallen, bestehen immer noch Berührungsängste auf Seiten der Arbeitgeber. Dabei sind sowohl die rechtlichen Belange als auch die persönlichen Umstände meist leicht zu klären.

Im vorliegenden Ratgeber schaffen wir einen Einblick in die Materie zum Berufseinstieg für Menschen mit Beeinträchtigungen. Dazu listen wir die rechtlichen Bestimmungen auf, welche sowohl den Arbeitnehmer als auch den Arbeitgeber schützen. Wir zeigen Anlaufstellen für Berufseinsteiger mit Beeinträchtigungen auf und geben Hinweise, wie Ängste und Vorurteile im Kennenlernprozess zwischen Berufseinsteiger und Arbeitgeber abgebaut werden können.

1. WAS BEDEUTET BEEINTRÄCHTIGUNG?

Bereits die Bedeutung des Wortes Beeinträchtigung offenbart erste Schwierigkeit, das Thema angemessen anzugehen. Im Allgemeinen wird, gerade in der gebräuchlichen Formulierung “Menschen mit Behinderung”, eine physische Beeinträchtigung angenommen. Jedoch fallen in die Kategorie der Beeinträchtigungen auch chronische Krankheiten und psychische Eigenheiten einzelner Personen. Welche unter die Definition einer Beeinträchtigung fallen, möchten wir Ihnen im Einzelnen näher erläutern.

Beeinträchtigungen müssen nicht auf den ersten Blick erkennbar sein.

Beeinträchtigungen müssen nicht auf den ersten Blick erkennbar sein.

Die amtliche Definition von Behinderung wird im Sozialgesetzbuch begründet. Im neunten Buch dieses Gesetzes, welches das Sozialrecht in Deutschland begründet, wird eine Definition des Begriffes vorgenommen.

Demnach gelten Personen als behindert,

„wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Sie sind von Behinderung bedroht, wenn die Beeinträchtigung zu erwarten ist.“

– SGB IX §2

Grad der Behinderung

Mit dieser Definition wird ein weiter Rahmen für Interpretationen geschaffen. Es wird daher eine Einteilung in verschiedene Grade der Behinderung vorgenommen.

Als schwerbehindert gilt dabei, wer einen Grad der Behinderung von mindestens 50 hat. Darüber hinaus werden solche Menschen denen mit einer Schwerbehinderung gleichgestellt, die einen Grad der Behinderung zwischen 30 und 50 haben. Dies gilt jedoch nur unter der Voraussetzung, dass die Arbeitsstelle nicht bekommen oder behalten werden kann, wenn keine Gleichstellung vorgenommen wird.

Ob eine Beeinträchtigung vorliegt oder nicht, ist für die betroffenen Individuen sowie deren Bezugspersonen nicht immer ganz einfach zu klären. Das liegt auch daran, dass der Gesetzestext eine offene Formulierung wählt. Der Grad der Behinderung wird durch das Versorgungsamt festgestellt.

Der niedrigste festzustellende Wert dabei ist 20, der maximale 100. Die dazwischen liegenden Werte werden in Zehnerschritten abgestuft. Wegen des Maximalwerts von 100 wird im Volksmund auch häufig von einem Prozentwert gesprochen. Diese Bezeichnung entspricht jedoch nicht dem amtlichen Sprachgebrauch.

Bei der Feststellung des Grades der Behinderung gibt es verschiedene Richtwerte, an denen sich die Befunde orientieren. Insbesondere bei körperlichen Beeinträchtigungen kann so eine Vergleichbarkeit geschaffen werden. Als Grundlage für die Bewertung werden die Versorgungsmedizinischen Grundsätze zu Rate gezogen, welche sich als Anlage der Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) niedergelegt finden.

Versorgungsmedizinische Grundsätze

Die VersMedV unterscheidet in diesem Anhang zwischen zwei Werten. Zum Einen werden mit dem Grad der Behinderung (GdB abgekürzt) die Beeinträchtigungen unabhängig ihrer Ursachen erfasst, während unter dem Grad der Schädigungsfolgen (abgekürzt GdS) nur ursächliche Beeinträchtigungen subsumiert werden. Eine angeborene Blindheit fällt in dieser Nomenklatur unter die erste Begrifflichkeit.

Um Ungleichbehandlungen zu vermeiden, werden in der Versorgungsmedizin-Verordnung keine unterschiedlichen Bewertungen der Beeinträchtigungen im Hinblick auf die Ausübung des Berufs vorgenommen. Nur, wenn eine Beurteilung in dieser Hinsicht notwendig ist, wird der Blick darauf gelegt.

Liegen bei einer Person verschiedene Merkmale vor, die eine Beeinträchtigung zur Folge haben, werden die Zusammenwirkungen der verschiedenen Merkmale unter die Lupe genommen. Es wird also nicht lediglich eine Tabelle zur Hand genommen und die darin festgelegten Grade zusammengerecht.

Vielmehr prüft die Untersuchungskommission, ob sich durch die verschiedenen Merkmale der Grad der Beeinträchtigung tatsächlich erhöht. Hat ein Antragsteller also z.B. einen Herzklappenfehler und leidet daher unter Kurzatmigkeit, ist jedoch aufgrund eines Hüftleidens in seiner Mobilität eingeschränkt, wird der größere GdB zur Grundlage für die Berechnung genommen. Eine einfache Addition der Werte erfolgt nicht.

Um eine Vorstellung der verschiedenen Werte zu bekommen, sind in der folgenden Tabelle einige GdB exemplarisch aufgelistet:

SYMPTOMRESULTIERENDER GDB
fehlende Niere25
schwerer Bluthochdruck20 - 40
Schuppenflechte (andauernd, stark)30 - 50
Verlust von drei Fingen (inkl. Daumen) einer Hand40
Verlust von fünf Fingern einer Hand50
mittelgradige Migräne (häufige Anfälle von einem bis mehreren Tagen Länge) 20 - 40
Trisomie 21 (Down-Syndrom)50 - 100

Wichtig: Das Gesetz hat mit der Novelle zum 1. Januar 2009 die Bezeichnung von “Minderung der Erwerbsfähigkeit” zur jetzt gültigen geändert. Hinter dieser Änderung steht auch die Erkenntnis, dass eine Beeinträchtigung zwar Schwierigkeiten im Arbeits- und Privatleben mit sich bringen kann, jedoch keinesfalls die Fähigkeit, für seinen eigenen Lebensunterhalt zu sorgen, entzieht.

Zweck der im SGB festgeschriebenen Maßnahmen zum Nachteilsausgleich ist, Menschen mit Beeinträchtigungen die Teilnahme an der Gesellschaft zu ermöglichen. Dazu werden eine Reihe von Maßnahmen benannt. (siehe 3.2.)

WELCHE GESETZLICHEN RAHMENBEDINGUNGEN LIEGEN VOR?

Die wichtigste Kodifikation von Regeln für beeinträchtigte Menschen am Arbeitsmarkt stellt das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) dar. Dieses Gesetz schärft insbesondere den Blick auf Gruppen, welche im Grundgesetz nicht erfasst sind. Dort heißt es:

“Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“

– §3 Abs. 3 GG

Durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz werden auch sexuelle Identitäten explizit in das Gleichbehandlungsgebot eingeschlossen. Das Alter wird ebenfalls als eine Grundlage für Diskriminierung erkannt und daher mit in den Gesetzestext aufgenommen.

Um die Gleichbehandlung zu gewährleisten, teilt das Gesetz in verschiedene Formen der Diskriminierung ein:

  • unmittelbare Benachteiligung
  • mittelbare Benachteiligung
  • Belästigung
  • sexuelle Belästigung
  • Anweisung einer dieser Handlungen

Damit kann der Gesetzgeber eine Reihe an Verhaltensweisen sanktionieren. Jedoch werden immer auch Streitfälle bekannt, welche nicht eindeutig nach dem AGG zu bewerten sind. Wenn ein Arbeitgeber beispielsweise unterschiedliche Bestimmungen für Voll- und Teilzeitbeschäftigte bzgl. des Urlaubsgeldes festlegt, könnte eine mittelbare Benachteiligung vorliegen, wenn die Teilzeitbeschäftigten überwiegend Frauen sind. Es kann jedoch im Zweifelsfall vor Gericht Bestand haben.

Arbeitnehmer können abgelehnt werden.

Ist ein Arbeitnehmer aufgrund seiner Beeinträchtigung nicht geeignet, einen Beruf auszuüben, darf der Arbeitgeber ihn ablehnen.

Des Weiteren gibt es einige Fälle, in denen eine Ungleichbehandlung rechtmäßig ist. Im Paragraph 8 des AGG wird angeführt, dass eine “entscheidende berufliche Anforderung” oder deren Umstände es ermöglichen, eine Ungleichbehandlung vorzunehmen. Ein solcher Fall kann z.B. vorliegen, wenn ein Dachdeckerbetrieb neue Gesellen einstellen möchte, aber keine Bewerbung von Rollstuhlfahrern berücksichtigt.

Wie aus dem Beispiel hervorgeht, müssen spezielle Anforderungen erfüllt sein, um eine Ungleichbehandlung zu rechtfertigen. Ein Opernhaus kann so eine Nichtberücksichtigung von männlichen Sängern begründen, wenn eine weibliche Hauptrolle zu besetzen ist. Eine weibliche Cellistin können sie jedoch nicht ablehnen, wenn lediglich ein Cellospieler gesucht wird.

RECHTLICHE BESTIMMUNGEN

Besondere Rechte für Arbeitnehmer mit Einschränkungen.

Arbeitnehmer mit Einschränkungen haben besondere Rechte am Arbeitsmarkt.

Bewerberinnen und Bewerber mit Behinderung dürfen nur dann nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen werden, wenn der- oder diejenige offensichtlich für die Stelle ungeeignet ist. Diese Einschätzung darf ausschließlich über die fachliche Qualifikation erfolgen.

Wird ein Bewerber mit Behinderung nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen, obwohl eine fachliche Eignung vorliegt, besteht der Verdacht der Benachteiligung.

Zudem verstößt der Arbeitgeber damit gegen §82 SGB, in welchem festgehalten wird, dass Schwerbehinderte grundsätzlich zu Vorstellungsgesprächen eingeladen werden sollen, um diese Menschen im Berufsleben zu fördern.

Beschäftigungsquote

Der Gesetzgeber hat zudem eine Quote für die Beschäftigung von Menschen mit Beeinträchtigungen vorgesehen.

Dabei müssen privatwirtschaftlichen Unternehmen mit mehr als 20 Mitarbeitern fünf Prozent ihrer Arbeitsplätze an Menschen mit Behinderungen vergeben. Öffentliche Arbeitgeber unterliegen sogar einer Sechs-Prozent-Quote.

Damit muss ein Arbeitgeber, der 100 Angestellte beschäftigt, fünf Arbeitsplätze mit Menschen mit Beeinträchtigung besetzen, ein öffentlicher Arbeitgeber sogar sechs.

Mit dieser Regelung sollen die Arbeitgeber verpflichtet werden, einen Beitrag an der Integration von Menschen mit Beeinträchtigungen in den Arbeitsmarkt zu leisten.

Ausgleichszahlung

Ausgleichszahlungen für Nichterfüllung der Beschäftigungsquoten.

Wenn Unternehmen die Beschäftigungsquote nicht erreichen, müssen
sie Ausgleichzahlungen leisten.

Erfüllen die Arbeitgeber die ihnen auferlegte Quote nicht, sind sie zur Zahlung einer Abgabe verpflichtet.

Diese bemisst sich an der Anzahl der unbesetzten Stellen sowie an der Größe der Unternehmen.

Die Ausgleichszahlungen werden an das zuständige Integrationsamt gerichtet. Mithilfe der Einnahmen aus den Zahlungen können die Maßnahmen zur beruflichen Rehabilitation von Menschen mit Behinderungen finanziert werden.

Die Ausgleichsabgabe hat den Zweck, eine Gleichstellung zwischen Arbeitnehmern mit und ohne Behinderung voranzubringen und zusätzlich keinen Vorteil entstehen zu lassen, wenn die Beschäftigungsquote nicht erfüllt wird.

Die Höhe der Ausgleichszahlung wird im §77 des SGB IX festgelegt und beträgt seit 1. Januar pro Monat und Arbeitsplatz, der nicht wie vorgeschrieben besetzt ist:

  • 125 €, wenn zwischen drei und fünf Prozent Schwerbehinderte beschäftigt sind
  • 220 €, wenn zwischen zwei und drei Prozent der Beschäftigten schwerbehindert sind
  • 320 €, wenn die Beschäftigungsquote unter zwei Prozent liegt

Kleinere und mittlere Unternehmen profitieren von Sonderregelungen. So müssen Unternehmen mit weniger als 40 Angestellten einen Schwerbehinderten beschäftigen, damit keine Ausgleichszahlung fällig wird.

Unternehmen mit bis zu 60 Mitarbeitern müssen zwei Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen besetzen, um von einer Ausgleichszahlung befreit zu sein. Damit gelten für diese Unternehmen geringfügig niedrigere Quoten.

SONDERRECHTE VON SCHWERBEHINDERTEN ARBEITNEHMERN

Liegt eine Schwerbehinderteneigenschaft vor, haben die Arbeitnehmer Sonderrechte gegenüber anderen Arbeitnehmern. Die wichtigsten sind: höherer Urlaubsanspruch, erweiterter Kündigungsschutz, Befreiung von Mehrarbeit, Anspruch auf Teilzeitarbeit und Gestaltung des Arbeitsplatzes nach den Bedürfnissen. Die Regelungen sind im neunten Sozialgesetzbuch festgelegt.

Urlaubsanspruch

Urlaubstage für schwerbehinderte Arbeitnehmer.

Schwerbehinderte Arbeitnehmer haben Anspruch auf mehr Urlaubstage.

Der gesetzliche Urlaubsanspruch für einen Arbeitnehmer beträgt mind. 20 Tage im Jahr. Die meisten Unternehmen gewähren jedoch zwei Urlaubstage pro Monat, also 24 oder mehr.

Arbeitnehmer mit Beeinträchtigungen haben zusätzlich zu dem für alle geltenden Urlaub Anspruch auf fünf weitere Urlaubstage. Dies gilt, wenn der Arbeitnehmer seine Tätigkeit an fünf Werktagen in der Woche ausübt.

Ist er an weniger Tagen die Woche an seinem Arbeitsplatz, verringert sich Urlaubsanspruch entsprechend. (§125 SGB IX)

Erhöhter Kündigungsschutz

Für schwerbehinderte Arbeitnehmer gilt zudem ein besonderer Kündigungsschutz. Nach dem Ablauf der Probezeit darf ein Mensch mit Schwerbehinderung nicht mehr gekündigt werden, ohne dass das zuständige Integrationsamt seine Zustimmung erteilt.

Dieses hat dabei zu untersuchen, ob die Behinderung der Anlass der Kündigung ist und ob diese sich gegebenenfalls durch Maßnahmen am Arbeitsplatz vermeiden lässt. (§85 SGB IX)

Befreiung von Mehrarbeit

Um Menschen mit Behinderung nicht durch zu starke Belastung zu beanspruchen, können diese sich von Mehrarbeit freistellen lassen. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass eine Überbelastung bei Menschen mit Beeinträchtigungen zu einer starken Verminderung der Leistungsfähigkeit führen kann. Auch, wenn die Mehrarbeit im Arbeits- oder Tarifvertrag festgehalten ist, müssen schwerbehinderte Arbeitnehmer diese nicht leisten. (§124 SGB)

Anspruch auf Teilzeitarbeit

Menschen mit Beeinträchtigungen haben einen Anspruch, in Teilzeit beschäftigt zu werden. Dieser ist an die Schwere der Behinderung geknüpft. Ist diese in einem Maß gegeben, dass eine Vollzeittätigkeit nicht durchführbar ist, kann eine Verkürzung vorgenommen werden.

Weitere Voraussetzungen dafür sind, dass die Teilzeit für den Arbeitgeber zumutbar ist und zudem keinen Arbeitsschutzvorschriften entgegensteht. (§81 Abs. 5 SGB IX)

Bedarfsgerechter Arbeitsplatz

Wird ein schwerbehinderter Arbeitnehmer eingestellt, muss der Arbeitgeber dafür Sorge tragen, dass der Arbeitsplatz den Bedürfnissen des Beschäftigten entspricht. Dazu gehört insbesondere der barrierefreie Zugang zum Arbeitsplatz sowie eventuell notwendige Veränderungen, wie etwa spezielle Anzeigegeräte für Menschen mit Sehbeeinträchtigung.

Wird ein Arbeitsplatz mit den Mitteln des Integrationsamtes umgestaltet, muss er, je nach Höhe der Zuwendungen, für eine bestimmte Zeit von einem Menschen mit Schwerbehinderung besetzt werden. Die Zeitspanne der vorgeschriebenen Besetzung beträgt zwischen sechs und 50 Monaten. (§81 Abs. 4 SGB IX)

TIPPS ZUM BERUFSEINSTIEG

Inklusion für beeinträchtigte Arbeitnehmer.

Ein guter Einstieg ins Geschäft ist oft ein wichtiger Schritt für die Inklusion schwerbehinderter Arbeitnehmer.

Jeder Mensch hat andere Voraussetzungen. Daher lassen sich keine pauschalen Aussagen treffen, wie der Berufseinstieg auf jeden Fall gelingt. Die erste Frage, welche sich Berufseinsteiger stellen müssen, ist: Habe ich eine Beeinträchtigung und wenn ja, möchte ich meine Sonderrechte diesbezüglich geltend machen?

Denn längst nicht alle Menschen mit Beeinträchtigung sind auf den ersten Blick als solche erkennbar. Viele entscheiden sich daher, sei es aus Scham oder aus Stolz, vielleicht auch aus Unkenntnis, ihre Ansprüche aus der Beeinträchtigung nicht geltend zu machen.

Wie Sie mit Ihren ganz individuellen Fähigkeiten und Voraussetzungen umgehen, ist Ihnen natürlich ausschließlich selbst überlassen. Im Folgenden haben wir Ihnen einige Hinweise für den Prozess des Berufseinstiegs zusammengestellt.

Bewerbungsverfahren

Bei der Bewerbung auf verschiedene Stellen muss der Bewerber keine Auskunft über eine eventuell bestehende Beeinträchtigung geben. Es wird von einigen Stellen sogar abgeraten, im Anschreiben einer Bewerbung auf eine bestehende Beeinträchtigung hinzuweisen. Der Hintergrund dazu ist die Annahme, dass eine bekannt gegebene Beeinträchtigung die Wahrscheinlichkeit, zum Bewerbungsgespräch eingeladen zu werden, mutmaßlich senkt.

Beweispflicht im AGG.

Der Boss muss nachweisen, dass Sie aus fachlichen Gründen nicht berücksichtigt wurden.

Da im AGG eine Beweispflicht herrscht, kann ein mutmaßlich aus diskriminierenden Gründen abgelehnter Bewerber seine Ansprüche geltend machen. Der Arbeitgeber müsste beweisen, dass die Nichteinladung zum Vorstellungsgespräch nicht aus diskriminierenden Gründen ergangen ist. Eine solche Behauptung lässt sich belegen, wenn eine Absage unter einem explizit angegebenen fachlichen Grund ausgesprochen wurde.

Vorstellungsgespräch

Hat man die erste Hürde überwunden und wird zum Bewerbungsgespräch eingeladen, sollten jedoch die Karten auf den Tisch gelegt und die bestehende Beeinträchtigung thematisiert werden. Insbesondere, wenn der Bewerber von den arbeitsrechtlichen Vorteilen profitieren möchte, ist eine Erwähnung unumgänglich. Mehr noch, wenn erst nach erfolgreichem Bewerbungsverfahren darauf hingewiesen wird, dass eine Beeinträchtigung vorliegt, kann dieses Verhalten als Grund für eine fristlose Kündigung herangezogen werden.

Es ist daher von entscheidender Bedeutung, in der Bewerbungsphase offen mit dem Thema Beeinträchtigung umzugehen, um keine bösen Überraschungen im Nachgang zu erfahren. Insbesondere bei Personalleitern oder Chefs, die erst im Laufe des Bewerbungsgesprächs bzw. beim ersten Kennenlernen auf die Beeinträchtigung aufmerksam gemacht werden, ist eine sensible Umgangsweise aufseiten
des Bewerbers vorteilhaft.

Wenn die rechtlichen Bestimmungen des AGG zum Tragen kommen, hilft es, bereits über die wichtigsten und drängendsten Frage Auskunft geben zu können. Dazu zählen diejenigen der Ansprüche an den Arbeitsplatz und die Arbeitszeit. Wenn sich Bewerber mit Beeinträchtigungen und Arbeitgeber bei den Verhandlungen über einen Arbeitsvertrag auf Augenhöhe begegnen, lassen sich viele Schwierigkeiten überwinden und Unklarheiten beseitigen.

Erste Tage

Gute Atmosphäre erste Tage.

Eine offener Umgang mit den neuen Kollegen kann eine entspannte Atmosphäre schaffen.

Sind die Hürden des Bewerbungsverfahrens genommen und der Arbeitsvertrag ist zustande gekommen, bestehen eventuell weitere Wagnisse. Gerade mit unerfahrenen Kollegen kann dann eine Spannung entstehen, die sich in einem schlechten Arbeitsklima niederschlägt. Daher ist das Verhalten des neuen Mitarbeiters ein entscheidender Faktor im weiterführenden Prozess.

Es kann daher durchaus für den Neuankömmling zu unangenehmen Situationen kommen. Insbesondere wenn die Kollegen den Umgang mit beeinträchtigten Menschen nicht gewohnt sind, können Berührungsängste oder Unsicherheiten an der Tagesordnung sein.Eine offene Haltung zum Thema ist eine gute Strategie, um diese anfänglichen Schwierigkeiten abzubauen.

Wenn Sie also merken, dass die Kollegen im Umgang mit Ihnen unsicher sind, können Sie das Thema offen ansprechen. Eventuell hilft es, eine kleine Frage-Antwort-Runde in der Kaffeepause zu initiieren. So können Sie den Kollegen die Berührungsängste nehmen und kommen gleichzeitig ins Gespräch und können sich näher kennenlernen.

Beratungsangebote

Sowohl für Unternehmen als auch die Absolventinnen und Absolventen gibt es eine Reihe von Institution, die beratend zur Seite stehen. Diese Stellen sind zumeist spezialisiert
auf das Thema Arbeiten mit besonderen gesundheitlichen Bedürfnissen. Sie leisten Aufklärung, können aber auch bei praktischen Entscheidungen unterstützend tätig sein. Damit sind die Beratungsstellen hilfreiche Anlaufstellen für den Berufseinstieg.

Career Center

Viele Hochschulen verfügen über eine Einrichtung, welche die Studierenden auf dem Weg in den Arbeitsmarkt unterstützt. Neben dem Angebot von Seminaren zum Erwerb von Schlüsselkompetenzen und Coachings für Bewerbungsgespräche bieten die Career Center auch eine Beratung für Menschen mit speziellen gesundheitlichen Bedürfnissen an.

Teil dieser Beratung ist auch die Vermittlung von Firmenkontakten, welcher sich die Absolventinnen und Absolventen bedienen können. Damit wird die Suche nach geeigneten Arbeitsstellen vereinfacht. Zudem werden Hürden abgebaut: Durch die Vermittlung ist sichergestellt, dass die betreffenden Unternehmen explizit Stellen für Menschen mit Beeinträchtigungen anbieten oder zumindest eine Bewerbung begrüßen.

Jobcenter

Agentur für Arbeit

Die Agentur für Arbeit bietet wertvolle Unterstützung.

An der Schnittstelle zwischen Hochschule und Arbeitsagentur existieren häufig so genannte Hochschulteams. Diese bieten Beratung für Studierende mit und ohne Behinderung an. Im Fokus der Beratung stehen dabei mögliche Arbeitgeber und Berufsbilder, welche die Absolventen mit speziellen Bedürfnissen anstreben können.

Bundesagentur für Arbeit

Die Bundesagentur ist nach SGB IX Trägerin verschiedener Leistungen für Menschen mit gesundheitlicher Beeinträchtigung. Damit ist sie der ideale Ansprechpartner sowohl für Berufseinsteiger als auch Unternehmen. Unterstützt werden neben der Suche nach einem geeigneten Arbeitgeber bzw. Bewerber auch Maßnahmen, die zur Herstellung der Gleichberechtigung notwendig sind. So können Unternehmen beispielsweise den notwendigen Umbau des Arbeitsplatzes von der Bundesagentur für Arbeit fördern lassen.

Die Bundesarbeitsagentur unterhält zudem eine besondere Stelle für die Vermittlung schwerbehinderter Akademiker. Diese ist Teil der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung (ZAV). Durch die professionelle Vernetzung dieser Einrichtung sind die Möglichkeiten der erfolgreichen Vermittlung vielfältig.

Gleichstellungsbeauftragte

In größeren Unternehmen gibt es meist einen Betriebsrat, der sich um die Belange der Angestellten kümmert und deren Interessen gegenüber dem Arbeitgeber vertritt. In vielen Fällen existiert auch ein/e Gleichstellungsbeauftragte/r. Diese Person kümmert sich um die Belange der nach §1 AGG geschützten Gruppen. Bevor Sie sich zur Bewerbung in einer großen Firma entschließen, können Sie auch mit dem entsprechenden Gleichstellungsbeauftragten Kontakt aufnehmen.

Integrationsfachdienst

Die einzelnen Bundesländer unterhalten auch Stellen, welche zwischen Arbeitsagentur, Arbeitnehmer und Integrationsamt vermitteln. Diese Integrationsfachdienste beraten Bewerberinnen und Bewerber ebenso wie Arbeitgeber. Dabei können durch die Beratungsgespräche mit den Berufseinsteigern besonders geeignete Stellen herausgefunden werden. Dazu evaluiert der IFD zusammen mit den Bewerbern das Jobprofil, indem die Fähigkeiten und Kompetenzen abgefragt werden. Dem Arbeitgeber hilft der IFD durch die Vermittlung geeigneter Arbeitnehmer sowie der Vermittlung von Fördermitteln.

FRAGEN

Tipps für Arbeitnehmer.

Fragen und Antworten rund um den Jobeinstieg mit Behinderungen.

Wie wird das Arbeitsverhältnis durch eine festgestellte Beeinträchtigung beeinflusst?

Zunächst sollte man sich bewusst sein, dass in Deutschland das AGG gilt. Diese Abkürzung bezeichnet das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, das sich um die Frage des Verhältnisses zwischen den Bürgern untereinander dreht. Dabei werden sowohl Regelungen für den Arbeitsmarkt, als auch für das Vertragsrecht festgelegt. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz sieht vor, dass niemand benachteiligt wird. Insbesondere das Arbeitsrecht wird mit weiteren Bestimmungen versehen, um eine rechtliche Grundlage für Gleichbehandlung am Arbeitsmarkt zu schaffen. Zweck des AGG ist es, Benachteiligungen verschiedenster Gruppen zu verhindern. Dazu zählen auch ausdrücklich Menschen mit körperlicher oder seelischer Beeinträchtigung.

Besteht eine solche, muss dafür Sorge getragen werden, dass die entsprechenden Stellen informiert sind. Insbesondere wenn besondere Anforderungen an den Arbeitsplatz bestehen, sollten diese dem Arbeitgeber mitgeteilt werden. Im besten Falle wird das Arbeitsverhältnis überhaupt nicht beeinflusst. Die Zusammenarbeit sollte sich nicht über persönliche, sondern fachliche Faktoren definieren. Wenn überhaupt, kann die Behinderung eine Chance sein, mehr Verständnis füreinander zu schaffen. Sollten diskriminierende Äußerungen oder Handlungen die Folge sein, können rechtliche Auseinandersetzungen die Problemlage klären.

Was passiert, wenn erst nach Beginn des Arbeitsverhältnisses eine Schwerbehinderung festgestellt wird?

Wenn sich ergibt, dass eine Schwerbehinderung oder ein Merkmal, das eine Schwerbehinderung gleichgestellt wird, vorliegt, besteht keine Mitteilungspflicht gegenüber dem Arbeitgeber. Voraussetzung ist, dass keine Einschränkung der Leistungsfähigkeit vorliegt. Der Arbeitnehmer kann also Stillschweigen bewahren, wenn er seinen vertraglich festgelegten Pflichten weiterhin nachkommen kann. Sonderregelungen wie Zusatzurlaub können dann jedoch nicht in Anspruch genommen werden.

Geht mit der Feststellung einer Beeinträchtigung jedoch eine Änderung des Arbeitsverhältnisses aus, muss dieses dem Arbeitgeber mitgeteilt werden. Die weiteren Maßnahmen werden dann in Absprache mit diesem getroffen. Bei Unsicherheiten können auch die Integrationsämter zu Rate gezogen werden. Diese verfügen über Erfahrung im Bereich der Krisenbewältigung und haben kompetente Unterstützung parat.

Ist eine Schwerbehinderung bekannt, wird auf Nachfrage geleugnet und dann eine Sonderbehandlung eingeklagt, kann eine Kündigung aufgrund von arglistiger Täuschung ergehen. Wird die Frage nicht beantwortet, ergeben sich keine Nachteile für den Arbeitgeber. Allerdings muss der Arbeitgeber die Möglichkeit haben, sich rechtskonform zu verhalten. Eine Verneinung der Schwerbehinderung darf nicht dazu führen, den Arbeitgeber im Falle einer Kündigung auf Verletzung des Sonderkündigungsrechts zu verklagen.

Wie verhindere ich Diskriminierung am Arbeitsplatz?

Durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz werden diverse Verhaltensweisen als Diskriminierung definiert. Die Arbeitgeber sind gehalten, diese Verhaltensweisen zu unterbinden und eventuelle Wiederholungen zu sanktionieren.

Vielen Menschen ist jedoch gar nicht bewusst, dass ihre Verhaltensweise eine Diskriminierung darstellt. Daher sollten Berufsanfänger zunächst das direkte Gespräch suchen. Durch behutsame Hinweise auf diskriminierende oder verletzende Verhaltensweisen kann ein Dialog entstehen, welcher das gegenseitige Verständnis fördert und Diskriminierung abbaut.

Die Bundesregierung hat eine Antidiskriminierungsstelle eingerichtet, welche Beratung für Opfer von Diskriminierung anbietet. Wenn Sie nicht wissen, wie Sie sich in einem konkreten Fall verhalten sollen, können Sie sich an diese Stelle wenden.

Ich habe meinen Kollegen schon mehrfach gebeten, sein diskriminierendes Verhalten zu ändern. Es folgt keine Reaktion. Was kann ich tun?

Nicht immer sind die Kollegen einsichtig und reagieren auf die Bitten, gewisse Verhaltensweisen zu unterlassen. Wenn auf mehrfache Hinweise keine Veränderung des Verhaltens eintritt, sollte der Arbeitgeber hinzugezogen werden. Er ist nach AGG gehalten, Diskriminierung zu unterbinden. Schlagen die direkten Gespräche also fehl, kann der Arbeitgeber dem uneinsichtigen Kollegen eine Abmahnung ausstellen. Im Extremfall kann dem Mitarbeiter auch gekündigt werden.