"Agil" sein wollen reicht nicht aus

„Agil“ sein wollen reicht nicht aus

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Agil liegt im Trend. Was einst in der Softwareentwicklung begann, ist heute in ganzen Industrien gang und gäbe: Der agile Gedanke. Dahinter verbirgt sich der Wunsch nach leichtgewichtigen Prozessen, schlanker Organisation und schlagkräftigen Teams, die selbstorganisiert mitdenken und treiben.

Der Versuch, einen Bewusstseinswandel herbeizuführen und mittels agiler Methoden alte Strukturen aufzubrechen und neue Chancen zu schaffen, führt jedoch nicht immer zum gewünschten Erfolg. Das liegt oftmals an offenen Widerständen, doch noch häufiger an folgenlosen Lippenbekenntnissen und falsch verstandener Agilität. Schließlich handelt es sich um eine wunderbare Projektionsfläche, mit der sich allerlei begründen lässt.

Das agile Mantra im Management

Agil zu sein, fordert von Organisationen, sich selbst gründlich zu hinterfragen. Das kann in den seltensten Fällen schaden. Doch allzu häufig wird eine oberflächliche Agilität da auferlegt, wo sie nicht stört, während anderswo alles genau so bleibt, wie es schon immer war.

Management in agilen Unternehmen heißt: Vertrauen aufbauen und schaffen, delegieren, Feedback geben und einfordern. Und vor allem die Planung in genau dem Detailgrad vornehmen, der angemessen ist. Das stellt Manager vor Herausforderungen, denn sie geben ein gutes Stück Kontrolle ab. Konsequent umgesetzte Agilität schafft Strukturen, die Spontanentscheidern oft nicht gefallen, denn sie macht Planungen sichtbar und transparent, aber auch verbindlich.

Auch wer komplette Kontrolle über Kosten, Qualität und Inhalte in höchster Detailtiefe auf Jahre hinaus anstrebt, wird mit agilen Modellen nicht vorankommen. Es sind gerade die Abstriche in Puncto Planungssicherheit, die Dynamik freisetzen. Besonders dieser Aspekt wird häufig vernachlässigt. Agilität heißt Reagieren auf Veränderung, nicht Befolgen eines Plans.

Falsch gelebte Agilität

Agilität wird allzu häufig missbraucht, um bestehende Strukturprobleme ideologisch zu begründen und so zu zementieren: Der Mangel an Entscheidungswillen, der Mangel an Kommunikation, der Mangel an Struktur, die Verwässerung von Verantwortung, vor allem aber mangelnde Planung – all dies war doch schon immer Ausdruck agiler Progressivität, oder nicht? Agilität als Chaos, in dem nur das Genie durchblickt?

Wer so argumentiert, hat Agilität nicht verstanden und steht nicht nur der Einführung agiler Methoden im Weg, sondern auch dem Unternehmenserfolg.

Denn positive Effekte treten wenn, dann durch die Schaffung effektiver Strukturen ein, nicht durch deren Mangel. Von vielen werden agile Modelle sogar als Gängelung angesehen, die tägliche Abstimmung als Kontrollinstrument gebrandmarkt, die Sichtbarmachung von Zielen als Kontrollzwang. Doch genau das sind Anzeichen, dass Sie dringend mehr Agilität in Ihrem Unternehmen benötigen, genau dort steckt ein großer Teil des Benefits: Im gründlichen Durcheinanderwirbeln altbekannter, ineffizienter Routinen.

Agil schafft Strukturen, doch keine Exzellenz

Agilität, das heißt nicht nur agile Frameworks wie Scrum oder Kanban, sondern auch offene Fehlerkultur, radikale Kundenorientierung, flexible und pragmatische Unternehmenskultur. Das wird nur allzu oft vernachlässigt.

Doch selbst wenn ein Unternehmen all diese Prinzipien verinnerlicht und umgesetzt hat, ist das noch keine Garantie für den Unternehmenserfolg. Denn damit befindet es sich lediglich auf einem Niveau mit anderen, die sich auch konsequent der agilen Idee verschreiben. Den Unterschied macht am Ende nicht die Frage, wer noch agiler ist, sondern klassische Führungskompetenz und strategische Ausrichtung.

Ist Ihr Produkt gut? Haben Sie den richtigen Zugang zum Kunden? Haben Sie die richtigen Leute mit der richtigen Qualifikation? Das sind die wichtigen Fragen, für die Sie sich mehr Zeit nehmen können, wenn Ihre Teams sich agil selbst organisieren und optimieren. Es ist eine Legende, dass in agilen Unternehmen keine Führungsfiguren benötigt werden.

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