Firmennetzwerk in einer digitalen Welt (Schaubild)

Die Welt des Netzwerkkapitalismus – Herausforderungen für die Arbeitswelt 2040

Im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) wurden verschiedene Szenarien zur Entwicklung der Arbeitswelt bis zum Jahr 2040 untersucht. In die Szenarien-Betrachtung sind u. a. Literaturrecherchen, Expertenbefragungen sowie Befragungen unter der Bevölkerung eingeflossen. Eines der möglichen Szenarien ist das des sogenannten Netzwerkkapitalismus. Die Implikationen dieses Szenarios für Unternehmen, Führungskräfte und HR-Verantwortliche betrachten wir in diesem Beitrag.

Internationale Unternehmensnetzwerke

Im Szenario des Netzwerkkapitalismus haben sich internationale Unternehmensnetzwerke etabliert, bei denen jeweils ein Digitalkonzern das Zentrum bildet. Diese Netzwerke sind vor allem für Wissens- und Facharbeiter attraktiv und bieten gute Entlohnung, berufliche Perspektiven und sorgen mit sozialen Angeboten für eine Absicherung nicht nur der Mitarbeiter, sondern auch ihrer Familien.

Damit sind diese Netzwerke sehr attraktive Arbeitgeber. Zugleich sorgen sie in den Ländern, in denen sie aktiv sind, für Investitionen und Innovationen. Die Unternehmen sind zudem sehr flexibel und anpassungsfähig und können sich dem wettbewerblichen Umfeld gut anpassen. Da die internationalen Unternehmensnetzwerke für ihre Geschäftsideen und deren Umsetzung gut ausgebildete Mitarbeiter benötigen, bieten sie ein umfangreiches Angebot an Fort- und Weiterbildungen sowie sozialen Leistungen, die auf den Basis-Leistungen des Staates aufbauen.

Durch ihre Investitionen in Bildung, Wohnen und soziale Absicherung kann die gesamte Gesellschaft in einem gewissen Rahmen von ihnen profitieren. Die Schattenseite dieser Netzwerke ist, dass sie sehr flexibel hinsichtlich der Verlagerung von Arbeitsplätzen und Steuerzahlungen sind. Damit entziehen sie sich der staatlichen Kontrolle und Regulation.

Die Rolle des Staates

Die Staaten verfügen in diesem Szenario über eine schwache Stellung und sorgen für eine Basisabsicherung in der öffentlichen Daseinsvorsorge sowie im öffentlichen Bildungs- und Gesundheitswesen. Aufgrund der Schwäche des Staates schätzt er zugleich die Vorteile der internationalen Unternehmensnetzwerke, z. B. im Hinblick auf die hohe Innovationskraft. Daher wird er (noch) weniger als Ordnungsmacht auftreten und bestehendes Recht durchsetzen, sondern in Aushandlungsprozessen mit den internationalen Unternehmensnetzwerken treten, um das Recht partiell an ihre Bedürfnisse anzupassen.

Außerhalb der internationalen Unternehmensnetzwerke

Beschäftigte, die außerhalb der genannten internationalen Unternehmensnetzwerke arbeiten, erhalten ein deutlich geringeres Entgeltniveau, besitzen weniger Planungssicherheit hinsichtlich der beruflichen Entwicklung und sind sozial weniger abgesichert.

Als Gegenpol zu den internationalen Unternehmensnetzwerken bilden kleine Unternehmen und Stakeholder separate Netzwerke. Diese können sich lokal, religiös oder über die Weltanschauung von anderen Netzwerken abgrenzen. Diese Netzwerke sind für den Staat besser zu beeinflussen bzw. zu regulieren – allerdings machen es die verschiedenen Netzwerke schwer, einen gesamtgesellschaftlichen Konsens herzustellen. Durch die stark fragmentierten Netzwerke, die nicht nur beruflich, sondern zunehmend auch das private Umfeld bestimmen, unterscheiden sich die Lebenswirklichkeiten der Beschäftigten in den internationalen Unternehmensnetzwerken von denen in den kleinen Netzwerken. Doch auch die kleinen Netzwerke sind z. T. hochgradig kulturell aufgeladen und identitätsstiftend, so dass auch hier eine starke Heterogenität existiert.

Implikationen für Führungskräfte und HR-Verantwortliche

Was bedeutet dieses Szenario für Führungskräfte und HR-Verantwortliche? Die Unternehmen in den kleineren Unternehmensnetzwerken sind prinzipiell sehr ähnlich zu den mittelständischen Unternehmen, die derzeit existieren. Diese Hidden Champions arbeiten bereits heute in ihren Nischen und die Personalabteilungen müssen entsprechend auf die Gegebenheiten in diesen Nischen reagieren. Dies kann z. B. die regionale Verankerung sein, auf die sich das Recruiting orientiert, oder die Vermittlung von Spezialwissen, die durch die Berufsausbildung im Allgemeinen nicht vermittelt wird.

Da der Staat in diesem Szenario weniger stark in Bildung und soziale Absicherung investieren kann, müssen die Unternehmen in den kleinen Netzwerken Angebote entwickeln, damit sie im Wettbewerb mit den internationalen Unternehmensnetzwerken um die besten Köpfe wettbewerbsfähig bleiben. Hierzu können beispielsweise innerhalb der kleinen Netzwerke unternehmensübergreifende Bildungsakademien entstehen, die die staatlich angebotene Bildung ergänzen.

Auch hinsichtlich der sozialen Absicherung im Krankheitsfall und im Alter sind netzwerkspezifische Lösungen zu entwickeln. Offen ist in dem Szenario, inwieweit sich die Schwäche des Staates gegenüber den internationalen Unternehmensnetzwerken in stärkerer Regulation der kleineren Unternehmen niederschlägt oder ob sich für sie der regulatorische Rahmen weitet. Sollte eine stärkere Regulierung eintreten, könnte sich die Lücke zwischen den internationalen Unternehmensnetzwerken und den kleinen Unternehmensnetzwerken verstärken.

Die Personalpolitik in den internationalen Unternehmensnetzwerken wird von den Unternehmenszentralen der Digitalkonzerne bestimmt. Daher wird in diesen Unternehmen – sofern sie ihren Sitz nicht in Deutschland haben – weniger strategische HR-Arbeit anfallen. Zudem werden die Unternehmen ihre Flexibilität nutzen, um einem möglichst geringen regulatorischen Rahmen gegenüberzustehen. Die Unternehmen möchten vielmehr ihre eigene Personalpolitik möglichst frei von staatlichen Rahmenbedingungen gestalten. Auch dies wird HR-Verantwortliche fordern, wenn sie die zentralen Vorgaben z. B. hinsichtlich einer eingeschränkten Mitbestimmung mit den nationalen Gesetzen in Einklang bringen müssen.

Für Führungskräfte und HR-Verantwortliche ist in den Unternehmen der internationalen Unternehmensnetzwerke zudem eine hohe Flexibilität und Changekompetenz notwendig, da sich die Unternehmen in den internationalen Unternehmensnetzwerken durch hohe Innovationskraft auszeichnen und damit dem ständigen Wandel unterliegen.

Die Rolle der Gewerkschaften

Offen ist, inwieweit die Gewerkschaften in diesem Szenario des Netzwerkkapitalismus in der Lage sind, internationale Netzwerke als Gegenpol zu bilden. Notwendig wäre hierzu das Lösen von den bisher vorherrschenden branchenspezifischen und nationalen Gewerkschaften. Diese neuen internationalen Gewerkschaftsnetzwerke könnten dann Tarifverträge für die jeweiligen internationalen Unternehmensnetzwerke aushandeln und mit ihnen auf Augenhöhe agieren.

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